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Jerseys fühlen sich in Westerwiehe wohl

Presseartikel aus “Die Glocke” vom 02.April 2021

Redakteur: Gerd Daub-Dieckhoff

Rietberg-Westerwiehe (gdd) – „Alles Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“, heißt es allgemein, doch vor allem in Westfalen. Stimmt nur bedingt, meint Werner Schmalhorst (62). Seine Devise lautet: „Entspannung und Ruh’ gibt mir meine Inselkuh!“

Wenn der Westerwieher um 6 Uhr früh den Stall betritt, wird er schon von neugierigen schwarzen Knopfaugen angeschaut. Die großen braunen Ohren zucken leicht beim Geräusch sich nähernder Schritte. Die in hiesigen Breitengraden selten zu sehenden Jerseys umdrängen ihn. Die Tiere gelten als aufgeweckter und zutraulicher als die Holsteiner Rassekühe. Schmalhorst hat seine Lieblinge am Dienstag dieser Woche erstmals aus dem winterlichen Quartier im alten Fachwerkgebäude geholt und ihnen die erste Mahlzeit von Gras auf der frühlingsgrünen Weide am Hof von ganzem Herzen gegönnt. „Es sind wunderbare Tiere“, schwärmt er, und da kommt der ganze Stolz auf seine 20 Exemplare zählende Herde zum Vorschein.

Größter Wunsch ging vor gut fünfeinhalb Jahren in Erfüllung

Von ihrem Charakter her seien Jerseys viel aufgeweckter und zutraulicher als die Holsteinkühe, sagt Züchter Werner Schmalhorst. Sie könnten aber auch stur sein. Seit Dienstag grast seine kleine Herde erstmals nach dem langen winterlichen Stallaufenthalt wieder auf der Weide in Westerwiehe. Foto: Daub

Die hellbraun und cremefarbenen Jerseys stammen aus dem gleichnamigen Eiland im Ärmelkanal. In der Rietberger Schweiz, wie das leicht hügelige Gelände nahe der Lipplinger Straße heißt, fühlen sie sich aber ebenfalls ausgesprochen wohl. Werner Schmalhorst ist in einem holzverarbeitenden Betrieb in der Nähe des geerbten elterlichen Hofs tätig, auf dem er mit drei Brüdern und zwei Schwestern aufgewachsen ist. Vater Heinrich Schmalhorst war Berufslandwirt, und er hielt die Holsteiner. Seine Mutter Elisabeth, geborene Westerhorstmann, sei tatkräftig an der Hofarbeit beteiligt gewesen, erinnert sich Werner an seine Jugendzeit. Die Holsteiner hat der 62-Jährige zunächst übernommen, den Bestand jedoch nach und nach reduziert. Verwandte greifen ihm heute bei fälligen Hofarbeiten unter die Arme: „Vor allem mein Bruder Hubert unterstützt mich tatkräftig“, berichtet der Westerwieher.

Sein größter Wunsch ging vor gut fünfeinhalb Jahren in Erfüllung. Im September 2015 zog die erste Jerseykuh von Druffel, wo Schmalhorsts enger Freund Bernhard Förster bereits eine größere Schar sein Eigen nannte, nach Westerwiehe um. „Sie heißt Klasse – und das ist sie auch“, sagt Schmalhorst und lacht. Aus Brandenburg kamen danach drei erstkalbige Färsen hinzu. Und im April 2017 war der Bestand schließlich auf 16 Tiere angewachsen. Die eigene Nachzucht lief ebenso erfolgreich: 20 Jerseys bilden nun eine ansehnliche Herde. „Größer soll sie nicht werden“, stellt Schmalhorst klar. Acht Hektar Land umgeben den Hof, aber der Freizeitzüchter hat noch weitere neun dazu gepachtet – „als Grünland und für den Maisanbau“.

Cara-Mia, Blume und Gabi begeistern Jury

Im Internet und über Fachmedien hat sich Werner Schmalhorst viele Informationen besorgt und sein Know-how als Rinderhalter vertieft. Über die Jerseys hat er zwei wichtige Aussagen schätzen gelernt: Kühe produzieren klimaschädliches Methangas während ihres Verdauungsprozesses. Der Kohlendioxid-Ausstoß ist deshalb in der Landwirtschaft ein Riesenproblem. „Die Jerseyrinder haben allerdings 20 Prozent weniger CO2-Ausstoß. Ich bin also auf der richtigen Seite, wenn es um Umweltschutz geht“, meint Schmalhorst augenzwinkernd.

Darüber hinaus lautet seine Devise „Klasse statt Masse“. „Deshalb freue ich mich auch darüber, dass für die Milch von Jerseys zehn Cent pro Kilogramm mehr gezahlt wird als für die der herkömmlichen Milchviehrassen.“

Gefreut hat ihn vor allem auch, dass 2019 beim „Tag der Landwirtschaft“ in Tatenhausen seine erstmals gezeigten Tiere bewundert und prämiert worden sind. Sein Freund Bernhard Förster hatte sich ausbedungen, die Kuh Cara-Mia aus dem Schmalhorst-Bestand vorführen zu dürfen. Mit Erfolg: Die Jury zeigte sich von der „Stärke in der Vorderhand und dem hervorragenden Euter“ begeistert. Cara-Mia, eine Tequilla-Tochter – der Besamer steht in den USA –, gewann in der mittleren Klasse.

Eine zweite Kuh, Blume genannt, die der Schmalhorst-Großneffe Theo Knapp in der Altersklasse der sechsjährigen Jungzüchter präsentiert hatte, wurde ebenfalls mit dem ersten Preis beschieden. Und die Kuh Gabi erhielt einen dritten Preis. Drei Jerseys stellte der Westerwieher vor – und drei Titel holte er.

Robust und anmutig

Werner Schmalhorst ist zufrieden, dass sich seine Tiere in Tatenhausen 2019 von ihrer besten Seite gezeigt haben. Heute fasst er seine Erfahrungen in Sachen Inselkühe in wenigen Sätzen zusammen: „Sie sind robust, ihr Leistungsniveau lässt sich noch steigern. Und ich habe mit ihnen weniger Probleme als früher mit den Holsteinern. Sie sind anmutig, und ich habe gemerkt, dass mein Leben heute viel entspannter abläuft als früher.“

Hintergrund

„Wir haben in den von uns betreuten drei Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland 320.000 Herdbuchkühe – 250.000 schwarz-bunte und 50.000 rotbunte Holsteiner. Sie prägen vor allem die Region Westfalen“, erläutert Klemens Oechtering. Er ist Abteilungsleiter Marketing in der Rinder-Union West, ein führendes Unternehmen in Rinderzucht, Besamung und Zuchtrindervermarktung mit Sitz in Münster. Dazu kämen lediglich 1100 Jerseyrinder sowie einige kleine Bestände Fleckvieh.

Die Rinder-Union betreut in ihrem Verbandsgebiet 5000 Betriebe, deren Mengenangabe reiche „von einem Tier bis zu 500 Kühen pro Betrieb“. Wer sich als Landwirt mit den kleinen Inselkühen beschäftige, züchte diese untergeordnete Rasse nicht wegen ihrer Größe von 120 bis 130 Zentimetern, sondern wegen ihrer besonderen Ausprägung, sagt Oechtering. „Fett- und Eiweißgehalte sind in der Milch der Kanalinselkühe höher als bei den Holsteinern, die normalerweise dreieinhalb Prozent Fett bringen.“ Damit seien sie explizit für die Milchproduktion geeignet. Bei der Milch der Charaktertiere handele sich zweifelsohne um ein einzigartiges Naturprodukt – „das sich auch ab Hof immer gut verkaufen lässt“, sagt der Fachmann.

Bemerkenswert ist die Viehhaltung auch unter dem Gesichtspunkt, dass Jerseybullen nicht für die Mast geeignet sind. Über die Qualität von Jerseyrindfleisch möchte sich Klemens Oechtering jedoch nur bedingt äußern. Nur so viel: „Der Schlachtprozess hat den größten Einfluss auf die Güte des Fleischs“, sagt er vieldeutig. Der Westerwieher Züchter Werner Schmalhorst gibt dem Fachmann der Rinder-Union West in diesem Punkt gerne recht.

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